Neue Ausstellung „Begegnung mit der Farbe“ in Wagenfeld zeigt Werke von Irene Dieminger und Ria Knippschild
„Eure Kunst wäscht Staub aus der Seele“
01.11.2014
© Brauns-Bömermann
Scheinen sich im Genre „Farbe“ gefunden zu haben: Irene Dieminger (links) und Ria Knippschild. Mit den Titeln „Lichteinfall“ und „Weites Land“ empfingen die Malerinnen ihre vielen Gäste zur Vernissage im Dienstleistungszentrum .
Brauns-Bömermann – Von Simone. WAGENFELDWie man Netzwerke knüpft zwischen Künsten, Menschen, Orten, über Landesgrenzen hinweg, das demonstrierte am Donnerstagabend die Vernissage zur neuen Ausstellung im Dienstleistungszentrum (DLZ) in Wagenfeld. Die beiden Künstlerinnen Irene Dieminger und Ria Knippschild zeigten ihre „Begegnung mit der Farbe“. Die Begegnung erweiterte sich durch die Vorträge von Karsten Kleemeyer zu frei zitierter Dichtkunst, zu Begegnung mit dem Wort und im Zentrum standen die Begegnungen zwischen den etwa 80 Gästen.
Die Ausstellung, die wieder erfolgreich mit dem Verein „Kunst in der Provinz“ initiiert wurde, hatte nicht umsonst die Gemeinde Wagenfeld dieses Mal zur Patin erwählt. Im März 2007 war die Gemeinde mit Bürgermeister Wilhelm Falldorf das erste Mal Patin und nun schloss sich der Kreis mit der letzten Ausstellungseröffnung für Falldorf kurz vor seinem letzten Arbeitstag vor dem Ruhestand.
Brunhild Buhre von „Kunst in der Provinz“ erinnerte sich: „Die großen weißen Wände des DLZ mussten mit Kunst bespielt werden, dafür setzten wir uns gemeinsam ein.“ Damals war es der Syker Fotokünstler Hans-Jürgen Dehn mit einer Fotodokumentation im Auftrag des Landschaftsverbandes Weser-Hunte und mit der Laudatio von Dr. Ralf Vogeding, Leiter des Kreismuseums.
„Seit der Zeit haben Sie viele Künstler kennengelernt und die Künstler sich untereinander“, ergänzte Buhre. Die lichten Foyer-Räume des DLZ sind seitdem bei den Künstlern bekannt und begehrt. Im Publikum fanden sich etablierte Künstler, Hobbykünstler, Kunstinteressierte, Bürger sowie kommunale und gewerbliche Vertreter.
Und so lag auch Weltliteratur und Literatur aus Wagenfeld ebenbürtig wie selbstverständlich für Karsten Kleemeyer beieinander. Er hatte die sechs Strophen des Gedichtes mit jeweils acht Versen von Annette von Droste-Hülshoff „Der Knabe im Moor“ auswendig gelernt, zitierte Richtung Moor affinen Landschaftsbürgern frei und voller Pathos. Hermann Hesses „Stufen“, ein philosophischer Exkurs zum Leben als fortwährenden Prozess, das ursprünglich den Namen „Transzendieren“ trug, berührte tief.
Lyrisches Lokalkolorit fand Kleemeyer bei Jürgen Meyer, alias Karl Auer, der für seine derben Kalauer im Ort bekannt war. „Mir schrieb er einmal aus dem Urlaub auf einer Postkarte einen kleinen Roman in Versform“, freute er sich.
Und so hätte auch ein Werk von Kandinsky gut zu den beiden ausstellenden Künstlerinnen gepasst. Kandinsky hätte vielleicht den abstrakten Werken der beiden Künstlerinnen seine Interpretation von reinen Farben zugeordnet: Rot war für ihn der Kreis, Blau das Quadrat, Gelb das Dreieck. Auch die Wirkung präzisierte er, Gelb wirkte ihm wie der Ton von Fanfare.
Tatsächlich interpretierte Anke Steinhauer, Leiterin der Volkshochschule Lübbecker Land, die Werke in ihrer Einführung so: „Irene Dieminger hat bis Ende 50 keinen Strich gemalt. Sie hat sich seitdem von der Farbe führen lassen und sieht den Prozess als Meditation und Lichtempfinden. Während Ria Knippschilds Entwicklung entstanden Landschaften zwischen Realität und Abstraktion. Ihre geometrischen Flächen sind gedanklich konstruiert und zeigen eine lineare Ordnung“.
Beiden Künstlerinnen ginge es um die Verarbeitung von Empfindungen, wie bei der Komposition von Musik, dem Schreiben eines Gedichtes, einer Geschichte. Sie empfahl dem Publikum: „Geben sie den Werken fünf Minuten und wenn es gefällt, dann sehen sie genauer hin“.
Titel seien dankbar, aber oft wäre es auch besser, sich von ihnen zu befreien. „Sie brauchen aber diesen Beipackzettel zur Handhabe gar nicht, denn diese Kunst bringt ihre Seele in Vibration“, meinte sie.
Der gemeinsame Lehrer von Dieminger und Knippschild, Janusz Duda-Remi, beschrieb begeistert so: „Eure Kunst wäscht den Staub aus der Seele“.
Wilhelm Falldorf konnte Kleemeyers Einschätzung „Weil Wagenfeld von Mooren umgeben ist, hätten so viele Menschen früher nicht zu einer Ausstellung einfach so kommen können“ nur beipflichten. Er empfahl für die Zeit nach dem offiziellen Teil oder einen zweiten Besuch der Ausstellung: „Fragen Sie sich immer beim Betrachten der Werke, in welchem Zustand befinde ich mich, in welchem befand sich der Künstler?“ Das sei ein großer Mehrwert. Die Ausstellung läuft noch bis zum 31. Dezember und ist sehr empfehlenswert.